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Personalausfall – der schlafende Riese

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BCM-Szenarien wie IT-Ausfall, Gebäude- und / oder Arbeitsplatzausfall sind in der Notfallvorsorge mittlerweile selbstverständlich. Das Szenario “Personalausfall” gehört in der Theorie gleichwertig mit zu den elementaren Risikoszenarien wie auch der Ausfall kritischer Dienstleistungen / Dienstleister. In der Praxis kommt das Szenario Personalausfall in allen Phasen des BCM-Lebenszyklus leider oftmals zu kurz. Und das, obwohl uns auch die praktische Realität zum Beispiel in Form zahlreicher streikbedingter Personalausfälle bei Bahn, Kitas und Geldtransporteuren die Notwendigkeit einer angemessenen Vorsorge für Personalausfälle aufzeigt. SARS, Vogelgrippe, EHEC/HUS und jetzt aktuell MERS finden vermeintlich im fernen Asien statt. Norovirus, auch “Kreuzfahrer-Virus”,  trifft vermeintlich nur Kreuzfahrer – aktuell gibt es eine Lebensmittelwarnung wegen Noroviren in gefrorenen Erdbeeren bei Aldi Nord. Masern-Epidemien betreffen nicht nur die Kinder, wenn Heerscharen von Elternteilen für die Pflege zu Hause bleiben müssen. Doch wenn das Szenario “Personalausfall” zuschlägt ist jede Vorbereitung Gold wert. Hinzu kommt dass das Szenario Personalausfall BCM und Krisenmanagement gerne über Tage, Wochen oder gar Monate auf Trab hält. Eine zweistündige Krisenstabsübung lässt die Anforderungen an ein solches Szenario nur erahnen. Alleine, wenn der Krisenstab in den Drei-Schichtbetrieb gehen soll …

Ein Grund, warum Personalausfall wahrscheinlich gerne etwas stiefmütterlich behandelt wird ist die Komplexität der Beteiligten in der Planung. Neben der IT, zum Beispiel für die Ausstattung von Remote-Arbeitsplätzen, kommen die Personalabteilung, Rechtsabteilung für Arbeitsrecht, Mitarbeitervertretungen, Kommunikationsabteilungen und natürlich die Mitarbeiter selbst als Akteure ins Spiel. Das BCM hat alle Hände voll zu tun, die unterschiedlichen Interessen dieser “interested parties” zu erkennen, auszugleichen und auf ein gemeinsames Ziel zu fokussieren. Stakeholder Management at its finest. Doch Schritt für Schritt.

In der Business Impact Analyse werden die Anforderungen an das benötigte Personal für die kritischen Geschäftsprozesse erhoben. Neben der reinen Anzahl an Mitarbeitern spielen aber auch Qualifikationen, Kompetenzen und Berechtigungen (zum Beispiel Zugriffsberechtigungen für IT-Anwendungen) eine große Rolle. Es gibt nur wenige Prozesse, bei denen Mitarbeiter einfach gegen andere Mitarbeiter ausgetauscht werden können. Auch “Kopfmonopole” sind auch nach wie vor keine vom Aussterben bedrohte Spezies! Geschickt ist es daher, bereits in der BIA die Anforderungen an Qualifikationen, Kompetenzen und Zugriffsberechtigungen der Notfallteams zu erheben. Eine Grundlage hierfür können zum Beispiel Rollen- und Stellenbeschreibungen der Personalabteilung sein.

Der ganzen Kreativität darf in der Strategiephase freien Lauf gegeben werden. Auch unkonventionelle Lösungen müssen überlegt und diskutiert werden können. Warum nicht den Prozess oder Teile davon im Notfall durch Mitbewerber durchführen lassen? Die Post setzt beim aktuellen Streik neben dem Management Mitarbeiter von Kunden in der Postverteilung ein und motiviert mit Einkaufsgutscheinen zur tatkräftigen Mithilfe um die ausgefallenen 25.000 Mitarbeiter einigermaßen zu kompensieren. In meiner realen Case-Study für den Bad-Armatur-Hersteller Dornbracht finden Sie ein Beispiel für ein solches unkonventionelles Vorgehen. Dornbracht hat nach einem schweren Brand auf dem Betriebsgelände zeitweise bei einem Mitbewerber produziert. Aus der Praxis kenne ich noch weitere Fälle, in denen sich Mitbewerber für Notfälle die gegenseitige Zusammenarbeit zugesichert haben – vor allem im Mittelstand wo es häufig keine redundanten Produktionen gibt. Die fehlenden Mitarbeiterkapazitäten durch andere Mitarbeiter aus der Organisation zu ersetzen oder ergänzen ist eine weitere Option. Die temporäre Aufstockung der Arbeitszeit von Teilzeitmitarbeitern, der Einsatz von Pensionären und als letzter Ausweg die Rückholung von Mitarbeitern aus dem Urlaub sind Optionen, die allerdings mit engen arbeitsrechtlichen Grenzen verbunden sind. Die Bahn hatte beim medienwirksamen Ausfall des Stellwerks Mainz im August 2013 in Folge von Krankheit und Urlaub der speziell ausgebildeten Fahrdienstleitern erfolglos versucht, die dringend benötigten Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückzuholen. Für Notfälle können aber auf freiwilliger Basis Vereinbarungen getroffen werden. Die zeitliche und örtliche Flexibilität von Mitarbeitern findet aber schnell Grenzen. Alleinerziehende Elternteile zum Beispiel können nicht einfach und schnell an einem anderen Ort oder zu anderen Zeiten arbeiten. Weitere Option ergeben sich zusätzlich auch auf Prozessebene. Kann der Prozess an einem anderen Standort durchgeführt werden, wo gleiche oder ähnliche Prozesse bereits bearbeitet werden? Gerade international tätige Unternehmen haben Prozesse, die nach dem Prinzip “follow the sunshine” organisiert sind. Kann der Prozess ganz oder teilweise an ein Partner-, Tochter oder Mutterunternehmen zur Ausführung gegeben werden? Je mehr Optionen verfügbar sind umso besser. Diese gilt es dann mit der Personalabteilung, Rechtsabteilung und Mitarbeitervertretung auf organisatorische und rechtliche Machbarkeit zu prüfen. Das Arbeitsrecht grenzt die Möglichkeiten ein, bestehende Betriebsvereinbarungen können weitere Optionen einschränken. Diese Abstimmungen kosten Zeit und oft auch Nerven. Soll das Ergebnis der Personalvorsorgemaßnahmen in eine Betriebsvereinbarung gegossen werden, ist auch hierfür Abstimmungsbedarf einzuplanen. Stehen die verfügbaren Optionen fest, können die Notfallpläne für den Ausfall von Personal erstellt werden. Welche Option greift für welchen Prozess, was ist durch wen konkret zu veranlassen, wie sieht der Notbetrieb aus?

Ob die Notfallplanung für den Personalausfall im Notfall auch funktioniert wird mittels Tests und Übungen der Pläne sichergestellt. Hier gilt es tatsächlich einmal einen Prozess im Notbetrieb zu beüben – natürlich ohne die Kunden dies spüren zu lassen. Tests und Übungen von Personalausfällen werden erst zaghaft angegangen, doch stellen nur diese sicher, dass der Notfallplan für den Ernstfall sicher steht.

Ein besonderer Fall sind die Pandemiepläne für dieses spezifische Pandemieszenario. Mit Erklärung der Pandemie durch die WHO wurden viele dieser Pandemiepläne aus der Schublage gezogen – und deren völlige Untauglichkeit für diesen Fall festgestellt. Zu Pandemieplänen habe ich eine persönliche Meinung. Pandemien sind Katastrophenszenarien, da eine Pandemie zumindest überregional auftritt. Welche konkreten Auswirkungen eine Pandemie auf das Alltagsleben haben wird, lässt sich kaum ermessen. Doch haben die vergangenen Krankheitsverläufe im Ausland gezeigt, dass Alltag und Berufsleben durch derartige Szenarien sehr stark beeinträchtigt werden. Mitarbeiter, die mit starkem Kundenverkehr arbeiten (Schaltermitarbeiter, öffentliches Transportwesen etc.) werden sich nicht freiwillig einem hohen Risiko der Ansteckung aussetzen. Große Teile des öffentlichen Lebens (Bsp. Veranstaltungen) werden nicht mehr stattfinden und die Menschen werden sich auf die Deckung der Grundbedürfnisse konzentrieren. Auch öffentliche Unruhen sind selbst in “zivilisierten Gesellschaften” hoch wahrscheinlich. Diese Rahmenbedingungen vorherzusehen und eine valide Planung aufzusetzen ist  ein kühnes Unterfangen. Aus meiner Sicht ist die Pandemie daher ein Thema des Krisenmanagements mit Unterstützung der bestehenden Planungen für Personalausfälle.

Sie haben Anmerkungen, Ideen, Kritik zu diesem Beitrag? Gerne können Sie den Beitrag in den BCM-News kommentieren oder mir persönlich per Mail antworten (admin@bcmnews.de).

be prepared

Matthias Hämmerle MBCI


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